Wie kommt das Wasser aus der Marsch
und die Schöpfmühle
in die Marsch?



  Weite Teile der Wilstermarsch liegen so tief, dass seit alters her Deich- und Entwässerungsmaßnahmen notwendig waren.
Der Begriff Marsch bedeutet so viel wie "weite Wasserebene".
Bei starkem Regen kann sich die Marsch auch heute noch schnell in eine solche verwandeln.

Vom Menschen geprägtes Land

  Für die Besiedlung und Nutzung der Wilstermarsch war die Entwässerung deshalb unerlässlich.
Die holländischen Einwanderer erschufen durch das Anlegen von Grüppen und Gräben
nach dem Vorbild aus ihrer Heimat ein erstes Entwässerungssystem.
Aus den Gräben wurde das Wasser in die Wettern geführt, die dann wiederum in die Wilster-Au, Stör oder Elbe entwässerten.
Durch diesen fortschreitenden Absenkungsprozess konnte immer mehr Ackerland nur noch als Grünland genutzt werden.
Aus diesem Grunde wurde die natürliche Entwässerung zusätzlich durch eine künstliche Entwässerung ergänzt.
Von einer "natürlichen" Entwässerung spricht man nicht nur bei natürlichen Gewässern (Flüssen, Seen),
sondern auch bei künstlich angelegten Gräben und Wettern, wenn sie ein stetiges Gefälle aufweisen.
Wettern sind von Menschenhand angelegte Entwässerungskanäle mit einem meist geraden Verlauf, die mit einem Wall abgegrenzt sind.
Diese Gebiete wurden Räumland genannt.
Für die Organisation, Pflege und den Erhalt dieses komplizierten Entwässerungssystems, welches den natürlichen Abfluss des Wassers gewährleistete,
wurde schon früh eine Schleusenkommune.
Bei der "künstlichen" Entwässerung halfen die nach holländischem Vorbild konstruierten Entwässerungsmühlen,
die mit Hilfe von Schaufelrädern (ca. 4 m) das Wasser aus den niedrigen Zuggräben in die bis zu 1 m höher gelegenen Wettern hoben.
Von dort konnte das Wasser dann abfließen. Diese Gebiete bezeichnete man als Mühlenland.
Dem anfänglichen Widerstand der Schleusenkommune gegen diese Schöpfwerke verdanken wir den ersten Hinweis auf ihre Einführung aus dem Jahre 1570.
Die Schleusenwärter hatten Sorge, dass ihr feingesponnenes Gefällenetz stellenweise durch den vermehrten Wasseranfall
der Mühlen in Unordnung geraten könnte. 1571 wird erstmals eine Pumpmühle in Ecklak erwähnt.

Grafik Schoepfen

  Durch die Schöpfmühlen konnten Ländereien entwässert werden, die bis dahin lange Zeit des Jahres unter Wasser standen. Der Anbau von Getreide wurde möglich und die Region erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung.
  Diese Art der Entwässerung mit Schöpfmühlen setzte sich immer mehr durch. Bald hatte jeder Hof eine oder mehrere solcher Mühlen. In Zeiten großen Wasserandranges gab es dann ein wildes Wetteifern, die eigenen Ländereien zuerst von der Wasserlast zu befreien - was dazu führte, das sich gegenseitig Bindungen auferlegt wurden.
  In Anlehnung an die Staumarken der Wassermühlen wurde das Mahlbestik eingeführt, ein Zeichen, über das hinaus kein Wasser in die jeweilige Wettern hinaufgeschöpft werden durfte. Weiterschöpfen wurde mit harten Strafen belegt.
  Ein Flutpfahlmüller, dessen Mühlen von allen Seiten gesehen werden konnte, sorgte für Disziplin. Stand seine Mühle im Kreuz, das oberste Segel eingerollt, hieß das: Mahlen einstellen innerhalb einer Zeit, in der jeder von seinem Haus zur Mühle gelangen konnte. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Schöpfmühlen ohne Beaufsichtigung liefen.
  Besitzer kleinerer Parzellen schlossen sich zur Haltung einer gemeinsamen Schöpfmühle zusammen, doch das Sprichwort Eegen Fruu und eegen Möhl zeigt die Probleme in solchen Interessengemeinschaften. Es gab auch Mühlenbesitzer, die sich zum Bau von größeren Entlastungsmühlen zusammentaten, die das Wasser vieler Kleinmühlen nochmals wieder erfassten und in die Wilster-Au schöpften.
  Die Technik des Schaufelrades war indes sehr ineffektiv. Etwa die Hälfte des geschöpften Wassers floss wieder zurück, weil der Radkanal nie genau dem Schöpfrad angepasst werden konnte, es hätte zu leicht geklemmt. Dennoch waren es diese hölzernen Maschinchen, die weite Teile der Marschenländer erst für den Ackerbau zugänglich machten.
  Eine weitere Besserung ist mit dem 1745 in Hodorf/Wilster geborenen Johann Holler verbunden. Nach der Schule erlernte er in Itzehoe das Zimmererhandwerk. In Hamburg verdingte er sich als Schiffszimmermann auf der Bark "Igel", die 1764 vor der holländischen Insel Terschelling strandete. Holler - als einziger Überlebender - blieb in dem Land, das seiner Heimat so ähnlich war. Auch hier ging man daran, die Marschen zu entwässern, um sie für den Gemüseanbau nutzbar zu machen. Dort lernte Holler den Mühlenbau sowie Bau und Gebrauch der sog. Archimedischen Wasserschnecke kennen, die in Holland seit 1634 bei der Schaffung des Starnpolders bei Wormerveer in Gebrauch kam.
  Archimedes von Syrakus (287-212 v. Chr.) kommt das Verdienst zu, das bereits bekannte Prinzip der "Schraube" für den Wassertransport nutzbar zu machen, indem er die Schraube oder Schnecke mit einem passenden Zylinder umgab.
  Nach sechsjähriger Berufserfahrung in Holland gründete Holler 1770 am Kohlmarkt in Wilster eine eigene Zimmerei. 1771/72 waren Hungerjahre, die den verstärkten Anbau der Kartoffel und die Intensivierung des Getreideanbaus zur Folge hatten. So kam Holler mit seinen neuen Möglichkeiten gerade recht. Große Mühlen kosteten je 6.000 Mk, kleinere nur 4.000 Mk.. Die Leistung der Schneckenmühlen wird mit ca. 40 ha bei den kleinen (die "kleine" Honigflether hätte, wenn man sie ließe, etwa 7 ha zur Verfügung) und 55 ha für die größeren angegeben. Es setzte sich eine Schneckenlänge von 6,50 - 7,00 m bei einer Neigung von 22 E für eine Hubhöhe von 1,50 - 2,00 m durch.
  Diese Weiterentwicklung der Schöpfmühle ist eine der wesentlichen Grundlagen für den sprichwörtlichen Wohlstand der Wilstermarschbauern gewesen. Land, das sonst nur Hafer trug, konnte für Winterkorn genutzt werden; auf Weideland konnte Sommerkorn angebaut werden, und selbst die niedrigsten Flächen ließen Heugewinnung zu.
  Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Schöpfmühlen im Laufe des 19. Jahrhunderts auf Schneckenförderung umgerüstet wurde. Durch die Umrüstung der vorhandenen Mühlen und der anzunehmenden Neubauten kam der Hollersche Betrieb zu Wohlstand und Ansehen. Holler hatte auch die Lösung parat, als der Turm der Sonnin-Kirche in Wilster 4 ½ m gehoben werden musste.

Schoepfmuehlen frueher
   Schöpfmühlen in der Wilstermarsch


  Während ihrer Hochphase standen annähernd
350 Schöpfmühlen in der Wilstermarsch und haben dieser Landschaft ihr damals charakteristischen Aussehen gegeben haben.
  Die Entwässerung der Wilstermarsch mit Schöpfmühlen war aber mit sehr viel Arbeit und Zeit verbunden.


  Die Mühle musste, sobald sie sich in Betrieb befand, Tag und Nacht beaufsichtigt werden, um sie bei jedem Windrichtungswechsel neu in Position zu bringen.
Oftmals wurden die Mühlen durch Stürme umgeworfen und beschädigt oder entzündeten sich durch die bei ihrem schnellen Lauf entstehende Hitze.
Dies alles führte dazu, dass sich 1886 die Wilstermarsch Windmühlengilde gründete, bei der die Mühlen versichert werden konnten.
  Dadurch gibt es eine Übersicht über die ungefähre Bestandsentwicklung um die Jahrhundertwende:
1886 =    284 Entwässerungsmühlen versichert
1921 =    107 Entwässerungsmühlen versichert
1929 =     50 Entwässerungsmühlen versichert
Die Gilde löste sich 1920 auf und die Landesbrandkasse übernahm den Versicherungsschutz:
1929 =     10 Stück (also total 60 Stück)
1940 =     40 Stück
1951 gab es noch ganze drei Schöpfmühlen, von denen die Mühle am Rehweg im selben Jahr abgebaut wurde und somit blieben die beiden letzten am Dwerfelder Wettern in Schotten auf dem Hof Schütt übrig.
Die letzte Mühle mit Schöpfrad stand bis zu ihrem Abbruch im Jahre 1902 in der Wetterndorfer Ducht.   Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch noch einige Holländermühlen für Entwässerungszwecke gebaut wurden. Der Mühlenbauer Wilhelm Meyer aus Wilster baute 1921 in Westermoor an der Stör die letzte Mühle dieser Art im Lande. Für den Betrieb einer herkömmlichen Schöpfmühle rechnete man zu der Zeit 5 Mark pro ha, die Lasten in den neuen Entwässerungsgenossenschaften beliefen sich aber auf 11-18 Mark pro ha. Die Entwässerung kostet den Landeigentümer heute etwa 32 €/ha jährlich. Fortschritt hat eben seinen Preis.


  Die schwere Arbeit an der Mühle, stets auf das Wetter angewiesen zu sein und das Aufkommen der neueren Technik führten im 20. Jahrhundert dazu, dass es immer weniger Windwassermühlen gab. Viele Schöpfmühlen ersetzte man ab ca. 1910 durch sog. „amerikanische Windmotoren“, die sich selbsttätig in den Wind drehen konnten, aber sehr viel reparaturanfälliger waren. Auch von diesen stählernen Ungetümen ist keines erhalten geblieben.
Sie wurden in den 50er Jahren reihenweise verschrottet.
Im Freiluftmuseum in Molfsee kann man so ein stählernes Ungetüm noch bestaunen.
amerikanischer Windmotor

   amerikanischer Windmotor

  Ab 1925 war die Technik so weit fortgeschritten, dass man dazu übergangen ist, auf genossenschaftlichem Wege Dampfschöpfwerke zu bauen. Diese Schöpfwerke arbeiteten wetterunabhängig, da sie nicht mehr auf den Wind angewiesen waren. Der Betrieb war auch durch den geringeren Zeit- und Arbeitsaufwand viel effektiver. Für den reibungslosen Betrieb der Dampfschöpfwerke und der ebenfalls Mitte des 20. Jahrhunderts gebauten elektrischen Schöpfwerke sorgten Entwässerungsgenossenschaften. Diese Genossenschaften orientierten sich bereits an dem Leistungsprinzip; wer den größten Nutzen von dem Schöpfwerk hatte, musste auch die meisten Lasten tragen.
  Im Jahre 1942 wurden die inzwischen 38 Deich- und Entwässerungsverbände der Wilstermarsch aufgelöst und der Deich- und Hauptsielverband Wilstermarsch mit Unterverbänden gegründet. Vorsteher des Deich- und Hauptsielverbandes war und ist auch heute noch der Deichgraf, der alle 5 Jahre neu gewählt wird. Die neu gebildeten Sielverbände übernahmen die Aufgaben der bisherigen örtlichen Schleusenkommunen und der Entwässerungsgenossenschaften. Eine der Aufgaben besteht u. a. darin, nach der herbstlichen Grabenreinigung die Gewässer und ihre Ufer auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen.

Grafik vom Pumpwerk   61 elektrische Schöpfwerke haben heute die Entwässerung der Wilstermarsch übernommen. Schöpfwerkspumpen saugen das Wasser aus den Wettern an und überwinden den Höhenunterschied zwischen dem tiefgelegenen Land und den Flüssen.
  Da Elbe und Stör tideabhängig sind, kann dort die Entwässerung teilweise noch natürlich über Schleusen erfolgen. Die Schleusen sind neben den Schöpfwerken angebracht.
  Bei Ebbe öffnet der Wasserdruck der Wettern die Tore. Bei Flut werden sie durch das ansteigende Wasser wieder geschlossen. Das danebenliegende Schöpfwerk arbeitet bei zusätzlichem Wasseranfall. 11 Schöpfwerke mit Schleuse finden wir entlang von Stör und Elbe in der Wilstermarsch. Grafik vom Schoepfwerk


Aus dem Buch "Wilstermarsch und Wilster" von Dagmar Krause / Herausgeber: Amt Wilstermarsch, Kohlmarkt 25, 25554 Wilster


Ohne unsere Pumpen sieht es dann so aus...

Bild-Flut Bild-Flut Bild-Flut

Travo unter Wasser



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